Papierschöpfen wie vor 600 Jahren
Bei einer Mitmach-Ausstellung im Kindermuseum wird gearbeitet wie im Mittelalter

Die Papierwerkstatt im Nürnberger Kindermuseum.
Foto: Roland Fengler
Fünf Schulbücher, für jedes Fach ein Heft, ein Block, zu Hause die Lieblings-Zeitschrift: Papier ist aus unserem Alltag nicht wegzudenken. Bei einer Ausstellung im Nürnberger Kindermuseum haben Drittklässler Papier selbst hergestellt – wie vor mehr als 600 Jahren.
Bedächtig rühren die Hände einen überdimensionalen Kochlöffel in der milchig-trüben Flüssigkeit. Louisa und Giulia krempeln die Ärmel hoch, nehmen einen Holzrahmen, kurze Überwindung, dann tauchen sie den Rahmen tief hinein in die „Pulpe“ – eine Mischung aus altem, zerschnittenem Papier, Zellstoff und Wasser. Wie es sich anfühlt? Die Mienen verziehen sich, „iiiiiih, eklig“, schnell wieder raus. Der erste Schritt, das Schöpfen, ist damit schon erledigt. Sich einmal umdrehen, zweiter Schritt, das Gautschen: Die beiden Drittklässlerinnen stürzen den Rahmen vorsichtig auf ein graues Filzteil, legen ein zweites darüber. Dann fest drücken, um die Flüssigkeit aus dem Papier zu bekommen. „Aaaah, wir haben Papier“, sagt Michael.

Motiv: Papierwerkstatt im Zweiter Arbeitsschritt: das Papier wird zwischen Filzteilen „gegautscht“, also ausgequetscht.
FOTO: Roland Fengler
Rein in ein Stofftuch und ab in eine schwarz glänzende Presse und drehen. Es quietscht, immer wieder, beinahe im Sekundentakt. Noch etwas trocknen lassen – und fertig ist das Blatt Papier. Jetzt sind die Mitschüler der beiden Achtjährigen aus der Grundschule Röttenbach-Mühlstetten im Landkreis Roth dran, die eben noch zugeschaut haben. Knapp 20 Kinder wuseln nun durcheinander, rühren, schöpfen, gautschen, pressen. Spielerisch sollen sie so lernen, wie früher Papier gemacht wurde, welcher Aufwand dahinter steckt. „Das Thema Papier ist im Lehrplan der Grundschulen verankert, wir machen viel über Recycling und Umwelt“, erklärt die Lehrerin Ute Bachmann-Wieder.

Arbeitsschritt Nummer drei: Das Papier wird in ein Stofftuch gewickelt und in einer Presse die restliche Flüssigkeit herausgedrückt.
FOTO: Roland Fengler
Freilich wird Papier heute anders hergestellt, schneller, industriell. Die Mitmach-Ausstellung im Nürnberger Kindermuseum (für Besucher bis 14. Februar am Wochenende geöffnet) ist der ersten Papierwerkstatt nachempfunden, der Hadermühle von 1390. Mit den einzelnen, auch Kraft erfordernden, Schritten soll zu einem bewussteren Umgang mit Papier angeregt werden, „die Kinder sollen einfach achtsamer damit umgehen“, erklärt Walter Karl, der die Ausstellung mit betreut. Denn früher war Papier sehr teuer, heute ist es überall günstig verfügbar. Wir drucken E-Mails aus – und werfen alles gleich wieder weg. Der Papierverbrauch ist damit rasend schnell angestiegen, selbst bei Recyclingpapier „braucht man noch immer zehn Prozent frischen Zellstoff“.
Text: MICHAEL FISCHER